Modellierung von Landschaftswahrnehmungen in europäischen Schutzgebieten – Marie Micol

Die Landschaft von Marie Micol

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Das Alfred-Toepfer-Naturerbe-Stipendium unterstützt jedes Jahr die Arbeit junger Naturschützer in Schutzgebieten in ganz Europa. Marie Micol war eine der Gewinnerinnen des Stipendiums 2019 und reiste 2020 durch Frankreich und Italien. Der folgende Artikel wurde von Marie verfasst. Übersetzt von Petra Frochot.

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Die Voraussetzungen

Landschaften faszinieren. Sie bedeuten uns so viel, und doch können ihre Beschreibung und Bewertung von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Für manche Menschen umfasst eine Landschaft die Natur und die menschliche Aktivität, die sie gestaltet hat, sowie die Kultur der in ihr lebenden Menschen. Für andere existiert eine Landschaft nur da, wo der menschliche Eingriff gering ist, Landschaften sollen „schön“ und „unberührt“ sein (was an sich schon sehr subjektiv ist). Für manche ist die Landschaft das, was man von einem bestimmten Punkt aus wahrnimmt, während sie für andere eher in einem individuellen und/oder kollektiven Gefühl zum Ausdruck kommt.

Sind einige dieser Sichtweisen gerechtfertigter als andere? Am Beginn meiner Arbeit betrachtete ich eine ganzheitliche Darstellung und Annäherung als die richtige Methode: für mich umfasst eine Landschaft alles Gegenwärtige, Vergangene und Zukünftige. „Meine“ Landschaft war eine Mischung aus Kindheitserinnerungen an dunkle Wälder und lärmende wirtschaftliche Aktivität im Tal, und allem, was dazu gehört. Ich glaubte, wenn alle sie so sähen wie ich, wäre es möglich, ihre Bewirtschaftung zu verbessern. Mein Ziel war es, Mittel und Wege dazu zu finden.

Durch die Arbeit an dieser Studie hatte ich die Hoffnung, zu entdecken, was sich hinter der Wahrnehmung und des Konzeptes der Landschaft für die Führungsteams von Naturschutzgebieten in Europa verbirgt, um einen Rahmen zu entwickeln für ein Standardsystem zu ihrer ganzheitlichen integrativen Verwaltung.

Ursprünglich sollte mich diese Arbeit auf eine Reise durch vier europäische Länder führen, um die verschiedenen Konzeptionen von Landschaft herauszuarbeiten. Die sanitäre Lage im Jahr 2020 hat mich allerdings gezwungen, mich auf zwei Länder zu beschränken: Frankreich (mein Heimatland) und Italien. Den Rest habe ich per Telefonkonferenz erledigt.

Nichtsdestoweniger war diese Studie für mich eine Art von metaphorischer Reise, ein Weg  durch Fragen und Entdeckungen, angeregt durch Sie, die Sie diese herausragenden Landschaften schützen.

Diese Arbeit ist weder eine Aufzählung der verschiedenen Konzepte von Landschaft noch eine Zusammenfassung von theoretischen Modellen. Die zusammengetragenen Daten stellen einen praktischen Fundus dar über das, was die betroffenen Menschen in den Naturschutzgebieten über ihre Landschaften denken. Diese Studie stellt den Personen in Europa, denen es obliegt, die Zukunft unserer wertvollen Landschaften zu gestalten, einige wichtige Fragen. Sie ist eine Einladung, einzuhalten und nachzudenken über das, was wir schützen wollen und Tag für Tag verwalten.

Die Studie

Durch sorgfältig vorbereitete Interviews mit 19 Mitarbeitern von sieben Naturschutzgebieten in Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannien und einer kurzen Umfrage im Internet von 40 Personen habe ich versucht herauszufinden, welche Bedeutung die Landschaften wirklich haben. Jede individuelle Wahrnehmung ist im Grunde eine Mischung aus verschiedenen Faktoren, die jeweils unterschiedlich auf die Personen einwirken: was wir lieben, was für uns wichtig ist, was wir erlebt haben, unsere Erwartungen für die Zukunft, unsere Kenntnisse der jeweiligen Gegend (in Bezug auf ihre Geschichte, ihre Biologie, ihre Geologie usw.), unsere Kenntnisse und kritische Haltung anderen Orten gegenüber und, besonders wichtig, unser philosophischer Blick auf den Platz für den Menschen in diesen Landschaften.

Was wurde nun aus meiner Idee, einen standardisierten Rahmen für die Betrachtung der Landschaft zu entwickeln? Ich habe das ursprüngliche Ziel aufgegeben und festgestellt, dass die Untersuchungen, die ich gemacht hatte, für die Verwalter von Naturparks und ihre Mitarbeiter (und Partner) eine methodologische Basis bilden könnten, um Gespräche anzuknüpfen, in Kontakt zu kommen.

In der Tat haben die in Naturparks arbeitenden Menschen selten Zeit und Gelegenheit, innezuhalten und Abstand zu gewinnen und über weiterreichende Ziele nachzudenken.

Ich habe jedoch das Gefühl, dass es sehr wichtig ist, uns auf die enormen Herausforderungen vorzubereiten, die uns erwarten (Klimawandel, kritische Situation der Artenvielfalt, ungleicher Zugang zu Naturparks, und anderes mehr…).

Landschaften sind, genau genommen, Konzepte, die sehr eng verbunden sind mit der Art und Weise, wie wir heutzutage und in der Zukunft diese für uns so wertvollen Gebiete verwalten. Sie sollen flexibel und leicht zugänglich werden, ohne Schaden zu tragen, das ist sicher hierbei ein zentraler Aspekt.

„Ein Gespräch anknüpfen“ bedeutet also nachzudenken, und manchmal sich gewahr werden, über den Wert, den die Landschaft für einen selbst hat. Allerdings sollte, und das ist auch wichtig, eine kollektive Bewertung nicht

Pembrokeshire Coast, einer der besuchte Gebiete.

vernachlässigt werden. Tatsächlich habe ich bemerkt, wie weit die Konzepte, selbst innerhalb einer Arbeitsgruppe, auseinander liegen können. Diese verschiedenen Konzepte schließen sich nicht aus, aber sie sind sehr verschieden, und bringen unterschiedliche Arten des Managements hervor. Ich glaube also, dass es notwendig ist, den Austausch sowohl innerhalb der Führungsteams von Naturparks als auch den mit ihren nächsten Partnern zu fördern, um die Effizienz lokaler / regionaler Maβnahmen zu verbessern.

Wir können die komplexen Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, nur lösen, wenn wir es auf uns nehmen, verstehen zu wollen, wie die anderen die Landschaft wahrnehmen, und so auch sehen, was sie in ihrer täglichen Arbeit motiviert.

Durch diese Arbeit habe ich also eine Vorgehensweise entwickeln können, die es den Verantwortlichen der Naturparks ermöglichen soll, diese Vielfalt in der Wahrnehmung von Landschaften und die daraus folgenden vielfältigen

Managementmethoden aufzuzeigen. Mein Ziel ist es daher nun, sie (die Vorgehensweise) zu perfektionieren und sie einheitlicher zu strukturieren, um es den Verantwortlichen der Naturparks in Europa zu ermöglichen, diesen wichtigen Austausch aufzunehmen. Es gibt so viele Landschaften wie Menschen und ihre Stärke wird es sein, sich zum Wohl der Landschaften zu vereinigen und sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise zu verständigen.

Die Parks sind nur so stark wie die Menschen, die zu ihrem Schutz arbeiten.

Dies ist keine akademische Arbeit. Sie soll Anregungen geben und weiterreichende Fragestellungen aufzeigen. Es ist ein Loblied auf die geschützten Landschaften und auf ihre Stärke, ihre Fähigkeit, den Weg zu weisen zu einer nachhaltigen Entwicklung und dabei einen hohen Maßstab anzulegen. Schließlich ist es auch ein Aufruf, die Ressourcen der geschützten Gebiete zu verstärken und Vertrauen zu haben in ihr Potenzial. Geben wir ihnen die Gelegenheit, ihre eigentliche Bestimmung zu erfüllen: Menschen zusammenzuführen, sie der Natur näherzubringen und die geschützten Gebiete dauerhaft lebenswert zu erhalten.

Den vollständigen Bericht können Sie hier lesen.

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